Schimmel und Beurteilung von Wärmebrücken Teil 1:
Bewertungsgrundlage für Messwerte zur Wandtemperatur
Quelle der Feuchtigkeit und Ursache für Schimmel in der Wohnung
Eine Feststellung der Ursache für Schimmel in der Wohnung bedarf in allererster Linie einer eingehenden Feuchtigkeitsquellenanalyse. Diese Publikation ist der Auftakt einer Reihe von insgesamt 5 Beiträgen zum Thema „Beurteilung von Wärmebrücken bei Schimmel“. Zum Thema Feuchtigkeit an Wärmebrücken als Ursache für Schimmel kann man schließlich nicht nur Einiges sagen. Man kann in diesem Bereich auch einiges verbessern. Umso mehr, weil die persönlichen Erfahrungen des Autors, seit etwa 20 Jahren aktiv als Gutachter für Schimmel und Feuchtigkeit in Hannover, dies besagen: Im Grunde genommen drehen sich etwa drei Viertel aller „Schimmelfälle“ in Häusern in Deutschland derzeit letztendlich um das Thema „Kondensation von Raumluftfeuchtigkeit an Wärmebrücken“.
Was Nährstoffe betrifft, sind Schimmelpilze ziemlich anspruchslos. Hausstaub allein enthält ausreichend Kohlenstoff für Wachstum von Schimmelpilzen. Somit können, von der Nährstoffseite her gesehen, also im Grunde genommen alle Flächen in Wohnräumen von Schimmelpilzen besiedelt werden. Die Grundvoraussetzung ist nur ausreichend Feuchtigkeit.
Bild 1: Was ist hier die Ursache für den Schimmel? Baufeuchte oder Kondensfeuchte?
Feuchtigkeit kann an die Wand auf zwei unterschiedlichen Wegen kommen: Im einen Fall stammt die Feuchtigkeit aus der Wand bzw. der Konstruktion selbst. Dies z.B. weil die Hausfassade von außen nicht ausreichend gegen Regenwasser abgedichtet ist oder (Boden-) Feuchtigkeit aus dem Erdreich kapillar aufsteigt. Dann wird von Baufeuchtigkeit gesprochen. Auch wenn in zurückliegender Zeit unbemerkt ein Wasserrohrbruch aufgetreten ist, wird ein „Baufeuchtigkeitsproblem“ die Folge sein. Stammt die Feuchtigkeit indes aus der Raumluft und schlägt sich auf der Oberfläche nieder, ist demgegenüber von Kondensfeuchtigkeit die Rede. Zur Feuchtigkeitskondensation kann es durch übermäßige Abkühlung der Raumluft an zu kalten Bauteilflächen (z.B. wegen einer unzureichenden Wärmedämmung) kommen. Auch bei nicht angepasstem Heizen und Lüften der Bewohner ist eine Kondensation von raumluft leicht möglich.
Der biologische Schimmelpunkt an der Wand
Schimmelpilze benötigen – anders als z.B. die meisten Bakterien – kein freies Wasser, um wachsen und sich vermehren zu können. In der Literatur der Mikrobiologie gilt eine relative Feuchte von etwa 70% als Mindestfeuchte für Schimmelpilzwachstum. Bei derart geringen Feuchten können allerdings nur wenige Spezialisten wachsen. Auf der Basis der biologischen Kenndaten der an feuchten Wänden in der Wohnung normalerweise anzutreffenden Schimmelpilze wurde in der DIN 4108 Teil 2 eine relative Feuchte von 80% für Innenräume als „Schimmelpunkt-Feuchte“ festgesetzt[1].
Beim „Schimmelpunkt für Innenräume“ handelt es sich also um einen literaturbasierten, theoretischen Wert. Dieser überschätzt allerdings das wahre „Schimmelrisiko“ eher, als dass es es unterbewertet. Die meisten der zum Innenausbau verwendeten Materialien – dazu gehören u.a. alle rein mineralischen Stoffe – bieten bekanntermaßen keine besonders guten Wachstumsbedingungen für Schimmelpilze. Die Oberflächenfeuchtigkeit ist natürlich der limitierende Faktor für Schimmelwachstum. Es ist zu bedenken, dass diese im Wohnalltag normalerweise größeren Schwankungen unterworfen ist. Im Tagesverlauf können sich an der Wand immer wieder geringe relative Feuchten, z.B. von 40% rF oder darunter, einstellen. Insbesondere beim Lüften in einem kalten Winter. Derart geringe Luftfeuchten sind Schimmelpilzen dann natürlich nicht mehr zuträglich. Was in der Konsequenz dazu führt, dass soeben gekeimte, noch besonders austrocknungsempfindliche Schimmelpilzbiomasse wieder abstirbt.
Die große Mehrzahl der ubiquitären Schimmelpilze benötigt zum Wachstum und zur Vermehrung (Sporulation):
- beständige relative Feuchten von mindestens 80% bis 90% rF
- dies für mindestens einige Tage bis wenige Wochen.
Ubiquitäre Schimmelpilze sind übrigens Schimmelpilze, die im alltäglichen Umfeld des Menschen ständig vorkommen und auch bei Schimmelbefall in Wohnungen immer wieder zu finden sind. Siehe auch https://www.schimmelpilz-messungen.de/2017/07/06/in-der-umwelt-schimmelpilze-messen/
Ursache für Schimmel in der Wohnung – Feststellung von Kondensfeuchtigkeit
In Gutachtenangelegenheiten z.B. für Gerichte bei Mietstreitigkeiten werden die Wärmedämmeigenschaften von Wänden, die durch Kondensfeuchtigkeit feucht geworden und von Schimmelpilzen befallen sind, meistens anhand des so genannten Temperaturfaktors (ƒRsi) und der Mindestanforderungen hieran in der DIN 4108 Teil 2 beurteilt (ƒRsi ≥ 0,70) [2]. Der Temperaturfaktor errechnet sich durch
(1) ƒRsi = (θsi – θe) / (θi – θe) mit
θsi = die raumseitige Oberflächentemperatur,
θi = die Innenlufttemperatur,
θe = die Außenlufttemperatur.
Als Randbedingungen liegen eine Raumlufttemperatur und –feuchtigkeit von 20°C und 50% (absolute Feuchte ≈ 8,6 g/m3) und eine Außenlufttemperatur von -5°C zu Grunde. Nach (1) darf die Oberflächentemperatur θsi bei diesen Randbedingungen nicht unter 12,6°C liegen[3]. Diese 12,6°C sind ein bekanntes Bauteilkriterium bei Schimmel.
Im Klartext geben die aktuelle DIN 4108 Teil 2 und der Temperaturfaktor ƒRsi ≥ 0,70 folgendes vor: Im Winter müssen an der raumseitigen Fläche einer Außenwand – von außen kommend – mindestens 70% der gesamten Temperaturspanne zwischen der Außenluft und der angemessen temperierten Raumlufterreicht sein [4].
Wenn ein Kondensfeuchtigkeitsproblem als Ursache für Schimmel in der Wohnung festgestellt wurde, sind Messungen der Bauteiltemperatur erforderlich. Diese haben in beheizten Räumen (eine möglichst konstante Raumtemperatur ist anzustreben) und möglichst bei winterlichen Außentemperaturen stattzufinden[5].
Verweise zum Thema Ursache für Schimmel in der Wohnung
[1] ANONYM (2003): DIN 4108 – Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden. Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz. 2013-02
[2] ANONYM (2003): DIN 4108 – Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden. Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz. 2013-02
[3] wird „Standard“-Raumluft (Stand heute: 50% rF, 20,0°C) auf 12,2°C abgekühlt, resultieren faktisch 80% rF und Schimmelpilze können auswachsen (= biologischer Schimmelpunkt). Die DIN 4108 Teil 2 ist auf diese Naturgesetzmäßigkeit ausgerichtet. Diese DIN setzt lediglich einen Standard der Beurteilungsbedingungen bei -5°C außen und definiert Berechnungen nach einer Formel (s.o.), in die die Außentemperatur eingeht (was die Differenz zwischen 12,2°C und den 12,6°C der DIN erklärt). Der „Zielwert“ des Temperaturfaktors (ƒRsi ≥ 0,70) ergibt sich dann sozusagen von selbst.
Anmerkung: Der Autor ist promovierter Mikrobiologe und bei der IHK Hannover Öffentlich bestellt und vereidigt als Sachverständiger für Schimmelpilze und Feuchtigkeit in Innenräumen und als Gutachter in Hannover und Niedersachsen tätig.
[4] bei -5°C außen und 20°C innen beträgt die Temperaturspanne außen – innen 25 Grad Kelvin. Die Temperaturspanne von außen zur Wandoberfläche muss dann mindestens 17,6°K (12,6 +5) betragen (17,6/25 = 0,70).
[5] gemäß DIN Fachbericht 4108-8:2010-09 „Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 8: Vermeidung von Schimmelwachstum in Wohngebäuden“ darf die durchschnittliche Außentemperatur bei der Ermittlung von ƒRsi anhand von Langzeitmessungen (mindestens 14 Tage) nicht über +5°C liegen